Kreisverband Hagen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kapitel 11: Dauerkrise der Kommunalfinanzen

Die Dauerkrise der Kommunalfinanzen in NRW hat sich extrem verschärft. Trotz guter Konjunktur und insgesamt steigenden Steuereinnahmen schaffen nur noch wenige Städte und Gemeinden in NRW einen strukturellen Haushaltsausgleich.

Auch in Hagen reichen die gewöhnlichen Einnahmen seit Jahren nicht mehr aus, um die gewöhnlichen Ausgaben zu decken. Hagen ist deshalb hoch verschuldet und befindet sich dauerhaft in der Haushaltssicherung. Schuldenfreiheit ist nicht nur eine Frage von Haushaltsausgleich. Sie beeinflusst maßgeblich die Attraktivität und die Lebensqualität einer Stadt. Sie ist zudem eine Frage der Generationengerechtigkeit, ohne die eine Stadt keine Zukunft hat.

Die Stadt Hagen hat ihre Mindestrücklagen längst aufgebraucht und ist überschuldet. Wäre die Stadt ein privates Unternehmen, hätte sie längst Konkurs anmelden müssen. Die laufenden Geschäfte der Verwaltung können nur noch über hohe Kassenkredite (über 1,2 Mrd. €) aufrecht erhalten werden. Der Rat der Stadt hat nach kontroversen Auseinandersetzungen in mehreren Konsolidierungsrunden seit 2004 kommunale Leistungen und Angebote zu Grabe getragen, vielfach gegen die Stimmen der GRÜNEN.

Trotz dieser schmerzhaften Einschnitte in das städtischen Leben und trotz einer aktuellen Liquiditätshilfe durch den Stärkungspakt des Landes NRW ist es der Stadt Hagen nicht gelungen, einen strukturellen Haushaltsausgleich zu erreichen. Das strukturelle Defizit der Stadt Hagen beträgt derzeit immer noch rund 65 Mio €. Mehr als die Hälfte dieses Betrages ist auf das mit den hohen Kassenkrediten einhergehende negative Finanzergebnis zurückzuführen.

Die Finanzkrise hat sich auch in Hagen verfestigt

Kontinuierlich steigenden Ausgaben stehen tendenziell weniger stark steigende oder stagnierende Einnahmen der Kommunen gegenüber. Dabei geht die Schere zwischen Pleitestädten und jenen, denen es noch relativ gut geht, weiter auseinander. Die verarmten Kommunen leben von der Substanz. Öffentliche Infrastruktur vergammelt, Straßen und Liegenschaften werden nur notdürftig in Stand gehalten, Schulen und Spielplätze sind in einem beklagenswerten Zustand. Sanierungen, die der Werterhaltung der kommunalen Einrichtungen dienen, können ebenso wenig stattfinden wie rentierliche Investitionen, z.B. in energetische Optimierung oder soziale Infrastruktur.

Fatal: Gerade Nothaushaltskommunen wie Hagen, die wegen fehlender Eigenmittel auf Landes- oder Bundesförderprogramme angewiesen sind, um überhaupt Zukunftsinvestitionen tätigen zu können, dürfen diese Förderprogramme des Bundes und des Landes wegen der bestehenden Restriktionen der Haushaltsicherung nicht nutzen, weil sie keine Eigenanteile einbringen dürfen, selbst wenn sie es könnten.

Städte sind unterfinanziert

Die Ursachen der Finanzkrise sind vielfältig und überwiegend nicht hausgemacht. Städte und Gemeinden sind aufgrund der mangelnden Finanzausstattung durch Bund und Land grundsätzlich unterfinanziert. Zuweisungsschlüssel des Landes sind falsch bemessen, die Ausgleichsansätze nicht ausreichend, und es wird deutlich, dass die Finanzbasis der Kommunen mit ihren überwiegend stetigen Ausgaben nicht von einer derart wechselhaften Einnahmequelle wie der Gewerbesteuer abhängig sein darf.

Die Gesetzgebung des Bundes und der Länder hat den Städten zudem eine Vielzahl von zusätzlichen Lasten aufgebürdet, ohne die Städte mit den notwendigen Mitteln auszustatten. Die Konsolidierungserträge der Kommunen werden wieder aufgefressen, weil Bund und Land das Konnexitätsprinzip nicht einhalten, das besagt: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Auch die neu eingeführten Schuldenbremsen bei Bund und Land stehen einer verbesserten Finanzausstattung der Kommunen entgegen.

Selbst notleidende Städte wie Hagen müssen sich nach wie vor am Solidarausgleich für den Ausbau der Infrastruktur in den neuen Bundesländer beteiligen, können jedoch selbst nicht auf solidarische kommunale Finanzhilfe „reicher“ Städte für den Erhalt ihrer eigenen maroden Infrastruktur hoffen. Die Klagen mehrerer Gemeinden gegen einen kommunalen Finanzausgleich, der als „Abundanzumlage“ von den reichen an die armen Städte zu leisten wäre, zeigen dies deutlich.

Die Kommunen beklagen zudem erhebliche Steuerausfälle aufgrund der Steuerreformen und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre. Die neue Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass auch sie wenig unternimmt, um die Finanzsituation der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Nötig wäre eine echte Reform der Gemeindefinanzierung, die den Kommunen die notwendigen Steuereinnahmen ver-schafft und sie von konjunkturellen Schwankungen unabhängiger macht.

Trotz derzeit rekordverdächtig niedrigem Zinsniveau belastet die extreme Verschuldung der Stadt Hagen den städtischen Haushalt durch hohe Zinslasten. Dies Problem wird sich bei absehbar ansteigenden Zinsen erheblich verschärfen und für weitere Ausgabenzuwächse sorgen.

Ehemalige Industriestädte wie Hagen haben den wirtschaftlichen Strukturwandel, der mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und hoher struktureller Arbeitslosigkeit einherging, bislang nicht hinreichend bewältigt. Der demografische Wandel und der Einwohnerverlust führen bei den Städten zu Einnahmeverlusten und weiteren Steuerausfällen, da die Schlüsselzuweisungen des Landes und die Steueranteile an der Einkommensteuer von der Einwohnerzahl und dem Einkommensniveau abhängig sind. Dabei wird die Hagener Infrastruktur – Theater, Museen, Sport- und Freizeit-, ÖPNV-, Schul- und Bildungsangebote, Krankenhäuser und viele weitere Versorgungs- und Dienstleistungsangebote – nicht nur von den Hagenern, sondern auch vom teilweise schuldenfreien Umland, den „reichen“ Städten wie Breckerfeld, genutzt.

Auch wenn die Belastungen für Hagens Haushalt weitgehend von außen kommen – mit Hilfen von außen kann die Stadt kaum rechnen. Der Stärkungspakt, den die Landesregierung aufgelegt hat, ist unterdimensioniert und entgegen aller Vernunft und Erwartung der verschuldeten Städte befristet. Hinzu kommt eine mehrstufige Neuaufteilung im kommunalen Finanzausgleich des Landes NRW zu Lasten der Großstädte und zu Lasten des Ansatzes für soziale Transferleistungen, dem ohnehin größten Posten im Haushalt der Stadt Hagen.

Es ist schon zum Verzweifeln, wie gleichgültig Land und Bund über die finanzielle Situation der notleidenden Städte hinweggehen. Hier sind parteiübergreifend auch die Hagener Landtags- und Bundestagsabgeordneten aufgefordert, für einen Solidarausgleich nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtung zu sorgen. Was Städte wie Hagen brauchen, ist eine nachhaltige Entschuldungshilfe, nicht Stärkungspakte, die sie über Fristen und Zwänge zu einer Selbstamputation nach der anderen zwingen.

Lokale Ursachen

Die nahezu aussichtslose finanzielle Lage der Stadt Hagen hat auch „hausgemachte“ und lokale Ursachen.

Auf Jahre festgeschriebene fehlerhafte Organisationsstrukturen und -prozesse sowie personelle Fehlbesetzungen in der Verwaltung und den städtischen Tochterbetrieben haben zu ineffektivem und ineffizientem Verwaltungshandeln und Managementfehlern geführt. Vetternwirtschaft und Pöstchenschieberei haben die Verwaltung und die Beteiligungsgesellschaften nachhaltig geprägt. Nötig wäre zielgerichtete transparente Personalentwicklung und ein an Fachqualifikation ausgerichtetes Stellenbesetzungsverfahren.

In der Not abgeschlossene, missratene Finanz-, Zins-, Swap- und Kreditgeschäfte haben zu erheblichen außerordentlichen Finanzaufwendungen bei der Stadt Hagen und ihren Tochtergesellschaften geführt. Dauerhafte Haushaltsdefizite und Beteiligungsverluste haben die Kassenkredite ansteigen lassen. Diese belasten den städtischen Haushalt nunmehr durch hohe Zinszahlungen und Tilgungen.

Der unkoordinierte und unkontrollierte Wildwuchs einer Vielzahl von Ausgründungen städtischer Aufgaben in sich verselbständigende Beteiligungsunternehmen hat ein kaum überschaubares und schlecht zu steuerndes Konglomerat von Unternehmen mit hohen Regie- und Strukturkosten hervorgebracht.

Die jahrelang vernachlässigte Infrastruktur der Stadt verlangt erhöhte Unterhaltungsaufwendungen und Reparaturleistungen. Erhebliche Mittel wären nötig, um den bestehenden Investitionsstau zu beheben. Für einen demografisch bedingten Rückbau der städtischen Infrastruktur sind nicht eingeplante Sondermittel notwendig.

Was müssen wir tun?

All dies verlangt von uns GRÜNEN, dass wir uns aktiv um die zukünftige Konsolidierung und Gestaltung des städtischen Haushaltes bemühen und es nicht der Aufsicht und dem Land mit seinem gesetzlichen Beauftragten überlassen, wegen der hohen Schulden der Stadt alles „dichtzumachen“. Wenigstens in einigen Bereichen müssen wir die Gestaltungshoheit in Hagen behalten. Wir werden die schmerzhaften und problematischen Einschnitte in die städtische Daseinsvorsorge und die von der Verwaltung und der Aufsicht vorgeschlagenen Kürzungsmaßnahmen auf ihre soziale, ökonomische und auch ökologische Verträglichkeit prüfen und ggf. verändern. Aber so, dass die von Bund und Land auferlegten Vorgaben für die Inanspruchnahme von Förderoder Stärkungspaktmitteln erreicht werden und wir die Hilfsmittel erhalten können.

Was muss in Land und Bund passieren?

Das grundsätzliche Verschuldungsproblem der Stadt Hagen ist wegen der vorhandenen Konstruktionsfehler der Gemeindefinanzierung und des Verschuldungsstandes der Stadt Hagen vor Ort nicht lösbar. Bund und Land sind aufgefordert, die Weichen für eine Entschuldung und eine auskömmliche Finanzierung der notleidenden Kommunen zu sorgen.

Kurzfristig ist eine Aufstockung und Entfristung der Stärkungspaktmittel zwingend notwendig, um die Kommunen von weiteren Kreditaufnahmen zu entlasten. Ebenfalls kurzfristig ist der solidarische kommunale Finanzausgleich zwischen „reichen“ und „armen“ Städten rechtssicher zu gestalten. Bund und Land sind zur strikten Einhaltung des Konnexitätsprinzips aufgefordert.

Mittel- bis langfristig ist eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen dringend geboten, um den drohenden Kollaps der Gemeinden zu vermeiden. Die Gemeinden sind mindestens ebenso systemrelevant wie Banken und Länder und deshalb ebenso durch den Bund und das Land zu unterstützen. Zumal Bund und Land aufgrund der Übertragung von kostenintensiven Aufgaben auf die Kommunen mitverantwortlich für die bestehende Finanznot der Kommunen sind.

Kommunen, die sich im „Speckgürtel“ von Großstädten befinden, müssen stärker an den Lasten der Infrastruktur der Großstädte beteiligt werden, da sie ebenfalls von Einrichtungen der Daseinsvorsorge profitieren, die in den Großstädten vorgehalten werden.

Im kommunalen Haushaltsrecht muss die Sondersituation von Nothaushalts-Kommunen Berücksichtigung finden. Auch Kommunen, die sich in der Haushaltssicherung befinden, müssen in der Lage sein, auf Förderprogramme des Bundes und des Landes zurückgreifen zu können. Die Vergabe der Fördermittel ist an die Bedürftigkeit zu koppeln. Neue Förderpakete zur Strukturhilfe und Stadtentwicklung für notleidende Städte sind aufzulegen.

Das Verschuldungsproblem der notleidenden Kommunen ist nur zu lösen, wenn Bund und Land ein entsprechendes nachhaltiges Entschuldungskonzept initiieren. Ein Hilfsfonds, der sich aus Mitteln der EU, des Bundes, des Landes und der Wirtschaft der Region speist, soll den Kommunen die Mittel zur Entschuldung bereitstellen.

Was müssen wir in Hagen erreichen?

Auch wenn die Finanzkrise der Stadt Hagen nicht vor Ort zu lösen ist, ist die Stadt nicht davon befreit, ihren Beitrag zur Konsolidierung der städtischen Finanzen zu leisten. Die Politik vor Ort ist gefordert, den Spagat zwischen Schuldenabbau einerseits und lebenswerter Stadt andererseits zu meistern. Es sind Lösungen gefragt, die der Stadt sowohl eine ökonomische und ökologische als auch eine soziale und kulturelle Entwicklungsperspektive bieten.

Steuererhöhungen und weitere Belastungen der Bürger und der Wirtschaft sind nur als „letztes Mittel“ akzeptabel. Handlungsleitend für GRÜNE Finanzpolitik ist, dass nicht zu Lasten der Folgegenerationen Schulden aufgehäuft werden oder kopflos drauf los gekürzt wird, sondern verantwortlich mit dem Haushalt umgegangen wird. Nachhaltiges Haushalten steht im Mittelpunkt. Wir brauchen keine kurzfristigen Spareffekte, die sich in der Folge als unwirtschaftlich erweisen. Orientierung am Bedarf, Erhalt der Lebensqualität für die HagenerInnen und auch die Beteiligung der BürgerInnen an den Entscheidungen zum Haushalt bestimmen unser Handeln.

Mit den vom Land verlangten platten jährlichen Kürzungsritualen hat dies nichts gemein. Mit diesen Maßnahmen zementieren wir Hagens fortschreitenden Einwohnerschwund, indem wir das Leben in der Stadt unattraktiver, teurer und sozial wie kulturell ärmer machen. Wenn die Rahmenbedingungen und das Verständnis der Politik auf Bundes- und Landsebene so bleiben wie bisher,wird am Ende von dem Hagen, das wir kennen und lieben, nur noch ein Rumpf übrig bleiben. Das wollen und müssen wir verhindern!

Grüne Forderungen nach lokalen Maßnahmen zur Entspannung der Dauerkrise:

  • Planung und Umsetzung einer grundlegenden Organisations- und Personalentwicklung in der Verwaltung
  • Kontinuierliche Aufgabenkritik, systematische Prozessoptimierung,
  • Optimierung der Querschnittsfunktionen in der Verwaltung (IT, Personal, Finanzen, Beratung)
  • Aufbau und Pflege eines aussagefähigen Berichtswesens (Steuerungskennzahlen, Controlling)
  • Konsolidierung und Optimierung der Beteiligungsstruktur,
  • Verstärkte Bürgerbeteiligung: Förderung der Zusammenarbeit von Verwaltung, Wirtschaft, Bürgern und Politik
  • Qualifizierung der Gremienmitglieder
  • Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit Vermeidung kontraproduktiver Steuererhöhungen (Grund- und Gewerbesteuer)
  • Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung
  • Bürgerfreundliche und konsequente Überwachung des Verkehrs und der öffentlichen Ordnung
  • Minimierung der Zinslasten und des Zinsrisikos durch Schuldenabbau
  • Grundsätzliche Prüfung von Maßnahmen auf Risiken und soziale, ökologische und ökonomische Vertretbarkeit
  • Gebäudesanierung, Wärmedämmung und Erschließung von Energiesparpotenzialen an städtischen Gebäuden
  • Entwicklung eines wirkungsorientierten Haushalts

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