Mein erster Wahlkampf

25.09.20 –

Die Bitte an einige Neumitglieder war, persönliche Eindrücke aus dem Wahlkampf auf-zuschreiben – ohne bereits das Ergebnis zu kennen. Geantwortet haben Mitglieder zwischen 18 und 80, aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Zusammenfassend kann man wohl sagen: häufig war der Weg bereits das Ziel. 

von Eva Effertz

Ich habe noch niemals Wahlkampf gemacht, weil in meiner früheren Partei soviel Personal vorhanden war, dass das Fußvolk nicht heran gezogen werden musste. Angefangen hat es ja mit Wahlplakate aufhängen. Wir waren zu Dritt in unserem Bereich. Das war praktische Arbeit, also kein Problem. Es hat Spaß gemacht, schließlich haben wir ja auch wunderschöne Wahlplakate und die Frage, wohin mit den Dingern, machte uns keine wirklichen Sorgen. Die nächste Aufgabe war, die vielen Postkarten zu verteilen, in all den vielen Briefkästen, puh!! Mir wurde nochmal bewusst, wer, wie und wo hier alles wohnt/wohnen. Dreimal bin ich los gezogen und habe sicher 600 Karten verteilt. Es war tolles Wetter und somit konnte man mit Freuden an die Arbeit gehen. Aber dann kamen die „Termine“: Wer ist am Wahlstand, was sagt man da, wie geht man auf die Menschen zu. Etwas Bauchkneifen hatte ich da schon, aber es ging, man braucht nur etwas Mut. Trotz allem fehlte mir eigentlich eine Schulung, um sicherer zu agieren. Hier in unserem Bereich sprach ich hauptsächlich junge Leute an, Familien mit Kind und Kegel unterwegs, denn die Zukunft gehört ja ihnen. Auch einige Schüler kamen durch unsere Fußgängerzone, sie waren doch sehr aufgeschlossen, da sie vielfach bei Fridays for Future schon teilgenommen hatten, sie nahmen auch gerne unsere Unterlagen mit. Da in unserem Bereich früher viel große Industrie angesiedelt war, und die SPD noch immer sehr präsent ist, tun sich viele schwer mit uns GRÜNEN. Es wurde abgewinkt und nein gesagt, nun ja, das schmerzt, aber ist begreiflich. Ansonsten war ich an unserer „Hütte“ in der Stadt. Dort war die Stimmung doch etwas anders, obwohl auf der Elbe doch all die an-deren Parteien vertreten waren. Hier waren es die älteren Menschen, die ganz verschämt zu uns herüber schauten, aber nicht den Mut hatten, zum Stand zu kommen, die ich ansprach. Da gab es dann z.T. noch sehr nette Gespräche und die Unterlagen wurden gerne mitgenommen, z.B. das Wahlprogramm oder der Flyer vom OB.

Da alles noch gar nicht vorbei ist und noch viel passieren kann, bin ich gespannt auf die nächsten Tage. 

von Ralf Danzeglocke

Wie war es, für die Grünen in die Öffentlichkeit zu treten?

An der Hütte habe ich mit grünem T-Shirt Farbe bekannt, auf der „Postkarte“ war ich mit Bild und Namen drauf. So öffentlich zu sein war ungewohnt, aber gut. Ich war einer von den Grünen – und das war gut so.

Welche Erfahrungen habe ich gemacht?

Erst wusste ich kaum, was tatsächlich auf mich zukommt, da es vorab kein Coaching gab, kein „Fit für den Wahlkampf“. An der Hütte traf ich auf nette Leute und nette Gespräche, auch anstrengende und „komische“, selten wirklich unangenehme. Beim Verteilen der Karten in die Briefkästen „meines“ Bezirkes gab es meist wenige und kurze Kontakte; die Privatsphäre sollte respektiert bleiben. Zu den Erfahrungen gehört auch, dass vieles nicht geregelt ist und selbst entschieden werden kann und muss. Was toll ist, gerade wenn man schon etwas Erfahrung hat…

Was hat gut funktioniert?

Die Offenheit der Grünen und die Unterstützung der Kolleg*innen waren gut. Und trotz vieler Aufgaben in knapper Zeit war die Grundstimmung immer eine gute. 

Etwas zu einzelnen Veranstaltungen/Aktionen?

Die Aktion „Freitags bei den Grünen“ war eine super Idee von Wolfram und Hartmut, die ebenso kurzfristig wie professionell geplant und umgesetzt wurde. Das hat auch gut unter Coronabedingungen funktioniert. Der Besuch von Katrin Göring-Eckardt war sicher gut, ging nur leider gefühlt etwas unter. Ohne Corona hätte es sicher mehr Veranstaltungen und Aktionen gegeben, das war halt schade. Ich denke da besonders an den Fahrrad-Aktionstag, der für Mai geplant war. Das holen wir hoffentlich bald nach, „nach Corona“.  

von Nicole Schneidmüller-Gaiser

Grünes T-Shirt an, den Sonnenblumen-Button an den Rucksack – und los. Draußen sind es 36 Grad an diesem Freitagnachmittag – und ich erklettere leicht außer Atem den höchsten Punkt in „meinem“ Wahlbezirk, Hestert / Steinplatz. Beim Anbringen der zehn Plakate eine Woche vorher war ich äußerlich noch „in cognito“ – und wurde trotzdem aus einem Auto heraus als „Sch… Grüne“ beschimpft. Wie wird es nun heute, beim Vertei-len der Postkarten? Achtung, Spoiler-Alarm: Dieser Tag wird mir als eines der Highlights 2020 in Erinnerung bleiben. Zwar liegen zwischen mir und dem „Feierabend“ gefühlte 2 Millionen Treppenstufen, Höhenmeter und Schweißtropfen – aber eben auch richtig tolle Gespräche über den Gartenzaun hinweg. Wer seine Blumen und das Gemüse vor dem Verdursten zu retten versucht oder am Fuße des sterbenden Stadtwaldes wohnt, ist eben tendenziell offen für Gespräche über Klimawandel und andere Themen aus dem GRÜNEN Wahlprogramm. Und es zeigt sich: Trotz Corona kann man Nähe herstellen. Mein Highlight: Eine spontane Einladung zu Käse, Brot und Wein, als ich auf der Suche nach einem Briefkasten versehentlich in eine Abendbrot-Gesellschaft gerate. „Bleiben Sie doch einen Moment und erzählen Sie uns etwas über sich…“ Ob die beiden Paare ihr Versprechen wohl gehalten haben, GRÜN zu wählen? Ich werde es zwar nicht erfahren – aber die angeregte Diskussion hat mich ein paar Tage lang beflügelt. 

von Benedikt Grobe

Für mich war dieser erste Wahlkampf eine durchaus faszinierende Erfahrung. Das wohl Außergewöhnlichste waren für mich die doch so grundlegend variierenden Arten von Menschen, mit denen man ins Gespräch kam. Denn im alltäglichen Leben umgibt man sich doch, wie in einer Art Filterblase, irgendwie schon automatisch mit den Menschen, die eine ähnliche Weltanschauung, ähnliche Probleme oder ähnliche Lebenssituationen, wie man selbst haben; ich will zwar nicht dementieren, dass ich nicht auch schon mit meinen Freunden und Bekannten sehr lebhafte Diskussionen geführt habe, jedoch hatte ich dort immer das Gefühl, auf einem gemeinsamen Boden zu stehen. Wenn man nun doch auf die Straße geht und sich beim Wahlkampf betätigt, das stille Schweigen in der Anonymität des städtischen Alltags unterbricht, dann zerplatzt die Blase, dann zerbricht der Boden und man lernt völlig neue Perspektiven kennen. So, als würde man plötzlich eine neue Ecke im eigenen Zimmer entdecken, so entdeckt man eine neue Welt auf un-serem Planeten. Und gerade für mich, der ich ein Mensch bin, dem es am liebsten ist, das zu sehen, was ich immer sehe, war es eine fürwahr erstaunliche Erfahrung, sich auf neue Böden zu begeben, der Blase zu entkommen und doch seine eigene Burg der Ansichten zu verteidigen, auch wenn man am Ende des Tages wieder im Bett der eigenen Meinung einschläft, hat man vielleicht ein wenig dazugelernt und sich metaphorisch gesehen ein paar neue Federn in sein Kissen gelegt.

 

Fotos:

Ohne Mampf kein (Wahl-)Kampf - Stand vor einer Bäckerei in Halden: Andrea Peuler-Kampe

Freitags bei den GRÜNEN: Almut Kückelhaus

Die Frau in den Bergen – die Wanderung in den Grand Canyon war ein Kinderspiel dagegen: Nicole Schneidmüller-Gaiser

Radtour in Eilpe, 20.8.: Wolfram Schroll

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