Stadtradeln - nichts für Feiglinge...

20.10.20 –

Seit fast zwei Wochen läuft nun schon die Aktion Stadtradeln - und auch ich lasse mein Auto in der Garage. Dass das Wetter sich vom ersten Tag an von seiner herbstlichen Seite zeigt, ist dabei eine Herausforderung, die ich mit Regenjacke und -Hose überwinde. 

Unerwartet ist die Aggression, die mir im Straßenverkehr begegnet - und dabei bin ich als Besitzerin eines kleinen Fiat 500, den die Fahrer größerer Pkw oft genug von der Straße drängeln wollen, Kummer gewohnt.

Über den mittlerweile wieder abgebauten PopUp-Radweg hier in Haspe wurde ja viel geschrieben - die Kritiker waren vor allem der Meinung, dass es ja bereits zwei Radwege parallel zur L700 gäbe. Darum hier mal ein kleiner Auszug aus meinem heutigen „Rad-Tagebuch“:

Start in der Geweke. Die Strecke Richtung Haspe schüttelt Fahrrad- und Autofahrer gleichermaßen durch - doch gefährlich sind die tiefen Schlaglöcher bergab nur für Zweiradfahrer. Auf Höhe des Eisenwerkes gibt es auch noch einen Gulli mit Rillen in Fahrtrichtung - also Slalomfahren bei Tempo 30.

Durch das Lindental fahren gegen 10 Uhr nur wenige Autos, ab dem Zugang zum Bahnhof Heubing muss ich auf den Radweg - und fluche schon nach 30 Metern, da in der Unterführung mindestens zwei Bierflaschen zerdeppert liegen. Flickzeug hab ich nämlich keins dabei.

An der Büddinghardt werde ich schon wieder ausgebremst - um weiter auf dem Radweg neben den Kleingärten in Richtung Westerbauer zu fahren, muss ich erst mal an der Fußgängerampel stehenbleiben; danach ist wieder „hoppeln“ über die Bodenwellen angesagt. Und kurz vor dem Preselweg erneut eine Vollbremsung- zwei Pkw-Fahrer halten es für eine gute Idee, mitten auf dem Radweg zu parken und Kaffee zu trinken.

Erst auf Höhe der Gesamtschule ist der Preselweg wieder als Radweg ausgezeichnet - was die Gruppe Spaziergänger, die die komplette Breite des Weges ausnutzen, nicht kümmert. Wir lächeln uns an, sie machen auf mein Klingeln hin auch bereitwillig Platz - aber natürlich muss ich wieder bremsen. Übrigens bin ich froh, dass es nicht später am Tag ist - Laternen gibt es hier kaum und die, die es gibt, sind nahezu komplett zugewachsen. Nichts für Nachtfahrten.

Da ich ins Einkaufszentrum in Westerbauer will, verlasse ich den Radweg an der Grundschöttler Straße, und will an der ehemaligen B7 in den noch ausgewiesenen PopUp-Radweg einbiegen - werde aber erst mal von zwei großen Hunden angeknurrt, die mit ihren Besitzern an der Fußgängerampel stehen. Auch wir lächeln uns an, sie entschuldigen sich sogar - ich atme kurz durch und trete wieder in die Pedale.

Links von mir fahren die Autos, durch Baken getrennt; rechts parken Autos. Vorausschauendes Fahren ist hier für Radfahrer durchaus ratsam - tatsächlich öffnet sich plötzlich eine Fahrertür und ich kann glücklicherweise ausweichen.

Der temporäre Radweg endet An der Wacht, ich folge dem Radweg erst rechts auf den Bürgersteig, dann wieder zurück auf die Straße, dann wieder auf den Extrastreifen. Auf dem Gelände des neuen Einkaufszentrums übersehen mich zwei Pkw beim Ausparken und ich überlege, was ich neben Klingel, Stimme und knallgelber Jacke noch tun kann, um aufzufallen. 

Nach dem Einkauf geht es zurück Richtung Haspe - ab der Kohlenbahn durch den Ennepepark, wo sich Radfahrer und Fußgänger den Weg teilen müssen. Für mich bedeutet das eigentlich Schrittgeschwindigkeit - darauf setzt wohl auch die Frau, die in ihr Handy schaut und ihren Hund unangeleint laufen lässt. 

Jenseits des Hasper Zentrums führt der Radweg im Gegenverkehr über den Bürgersteig an der Leimstraße entlang - auch den teilen sich wieder Fußgänger und Radfahrer. Vor mir läuft ein älterer Mann mit einem Paket Eier - ich bremse natürlich ab und rufe „Vorsichtig.“ Reflexartig dreht er sich um und grummelt: „Warum klingeln Sie nicht?“ Anhalten, absteigen, lächeln. „Damit Sie sich nicht erschrecken und die Eier fallen lassen“. Jetzt muss er auch lächeln. „Aber Sie müssen doch rechts fahren“, meint er sich noch im Recht - also erkläre ich ihm freundlich den Unterschied zwischen den beiden recht ähnlichen Schildern, die im einen Fall genau definieren, welche Seite für den Radfahrer ist, und im anderen, hier vorliegenden Fall aber eben den Radfahrer zum Bremsen zwingen.

Am Konrad-Adenauer-Ring muss ich erneut die Fahrbahn überqueren, also wieder an der Fußgängerampel warten; an der Bushaltestelle, die plötzlich auf dem Radweg auftaucht, wartet zum Glück niemand und an der Hördenstraße fehlt vorübergehend die Beschilderung. 

Ich stehe unschlüssig vor einem Sperrbügel, bevor ich mich entschließe, über den breiten Bürgersteig die Eugen-Richter-Straße hinauf zu fahren. Ab Höhe Rehstraße, kurz bevor er endet, zeigt mir ein blaues Schild, dass ich wohl richtig auf einem Radweg war - da muss ich mich auch schon wieder in den Verkehr einfädeln.

In der Tageszeitung stand heute ein Text, in dem der Journalist beklagte, dass er als Autofahrer nicht zügig von A nach B kommt - die Ampelschaltungen verhinderten das. Ich weiß, dass dieser Redakteur auch oft Rad fährt. Mit demselben Recht, mit dem sich Autofahrer wünschen, möglichst schnell ans Ziel zu gelangen, fordern auch Radfahrer das ein. 

Neben gegenseitiger Rücksichtnahme wäre vielleicht ein Perspektivenwechsel in der aktuellen Situation hilfreich, um die verhärteten Fronten zwischen Fahrrad- und Autofahrern zu lösen. Die viel beschworene „Mobilitätswende“ beginnt im Kopf - und zwar damit, dass jeder anerkennt, dass der jeweils andere auch ein Existenzrecht hat. Sie hat aus meiner Sicht eigentlich nicht so viel mit Missionieren zu tun - soll doch jeder das Fahrzeug benutzen, das er möchte. 

Aber sie hat ganz viel mit Respekt zu tun.

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