Wie geht es Menschen mit Unterstützungsbedarf während der Corona-Zeit?

18.05.20 –

Als der Corona-Lock-Down unser Leben lahm legte, bekam das soziale Netz in unserer Stadt kräftige Risse. Erst da wurde vielen klar, welch wichtige Rolle Beratungs- und Unterstützungsangebote der Stadt und der Wohlfahrtsverbände für das Zusammenleben spielen. Manches lässt sich zwar am Telefon klären. Aber viele Angebote für die besonders Hilfebedürftigen in der Gesellschaft kamen über Nacht zum Erliegen: Warenkorb, Kleiderkammern, Mittagstisch für Kinder, Hilfe bei Gewalt gegen Frauen oder Kinder, Obdachlose, Arbeit mit Flüchtlingen und Zugewanderten – plötzlich lief nichts mehr. Inzwischen hat sich vieles Dank Phantasie und Improvisationstalent wieder eingespielt. Als Grüne Sozial-AG haben wir uns umgehört, wie die Situation bei Hilfsorganisationen und Hilfe Suchenden ist. Und wir haben eine Anfrage an die Verwaltung erarbeitet, in der wir Informationen angefordert haben.

Hier eine Übersicht über unsere Erfahrungen und Kontakte, die wir gesucht haben.

Frauen

Für unsere Gruppe hat Wilma Panzer beim Hagener Frauenhaus nachgefragt, wie sich die Situation in Hagen darstellt. Erfreulich war, es gab keine Verschlimmerung der Situation in Hagen. Die Plätze waren belegt, aber es wurden keine verstärkten Hilferufe gemeldet. Wie uns die Leiterin des Frauenhauses mitteilte, hatte auch die Stadtverwaltung bei Problemen Hilfe angeboten. 

Nach Ostern telefonierte Wilma mit der Gleichstellungsstelle der Stadt Hagen. 

Dank der guten Vernetzung der Hagener Frauengruppen und Beratungsstellen konnten wir konkrete Auskunft bekommen. Es gibt keine verstärkten Nachfragen beim Nottelefon. Jugendamtsleitung, Gleichstellungsstelle und die Beratungsstelle von „Frauen helfen Frauen“ halten regelmäßigen und intensiven Kontakt. Die Stadt hält eine Wohnung für Notfälle bereit. Gewisse Vorahnungen kann man haben: Was wird folgen, wenn die Beschränkungen gelockert werden? Kommen dann erst die konkreten Meldungen von Gewalt an Frauen, aber auch an Kindern?

Die Situation in Hagen gleicht der Situation im ganzen Land. Gewalt ist zurzeit kaum öffentlich. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Situation sich schlagartig verändern wird, wenn wieder mehr Öffentlichkeit möglich wird. 

Familien und Kinder

Der Kinderschutzbund in Hagen hält im Mehrgenerationenhaus viele Beratungs- und Betreuungsangebote vor. Mit der Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Manuela Pischkale-Arnold hat sich Karin Köppen am Telefon unterhalten.

Frau Pischkale-Arnold berichtet, dass das Haus für Kinder derzeit immer noch geschlossen ist. Sie und die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen planen mögliche Maßnahmen und Angebote für die nächste Zeit. 

Das Mehrgenerationenhaus des Kinderschutzbundes arbeitet mit vielen Ehrenamtlichen, diese Mitarbeiter*innen sind in der Mehrzahl weit über 60 Jahre alt und gehören somit zur Risikogruppe.

Wichtige Beratungsangebote kann der Kinderschutzbund infolge dessen nicht wahrnehmen, zum Beispiel: Willkommensbesuche, Begleiteter Umgang.

Die Mitarbeiter*innen bemühen sich durch zahlreiche mediale Angebote, telefonisch Ansprechpartner zu bleiben. Gerade die Gelegenheit, den Familien begleitete Umgangskontakte zu ermöglichen, fehlt besonders den betroffenen Kindern.

Kinderschutz in Zeiten von Corona ist ein besonders sensibler Bereich. In diesen Zeiten nur telefonisch beraten zu können ist sehr problematisch.

Auch die Angebote wie die Klamottenkiste und Suppenkasper sind noch nicht wieder zugänglich. Frau Pischkale-Arnold hofft, zeitnah, zumindest an 2 Tagen in der Woche, den Kleiderladen, die Klamottenkiste, wieder zu öffnen.  

Warme Mahlzeiten für die Kinder wird es erstmal nicht geben. Die Mitarbeiter versuchen Alternativen zu entwickeln. Möglich wäre eine „gesunde Essenstüte“ anzubieten.

Diese beiden Ideen sind inzwischen umgesetzt, so ist die Klamottenkiste tageweise geöffnet und die Gesunde Essenstüte wird verteilt.

Ganz allgemein bleibt festzustellen, dass die soziale Infrastruktur einer Stadt von Ehrenamtler*innen unterstützt werden kann. Entscheidend ist aber die ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung dieses wichtigen Bereichs. Die soziale Infrastruktur einer Kommune braucht eine Finanzierung der Struktur, unabhängig von ständigen Projektmitteln, und festangestellte hauptamtliche Mitarbeiter.

Menschen mit psychischer Beeinträchtigung

Nova ist ein Verein zur Betreuung und Rehabilitation von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in Hagen. Der Verein hat zwei Angebote: die Tagesstätte und den Elbetreff.

Das Gespräch mit Hilde Kortmann, Leiterin des Elbetreffs, führte Karin Köppen.

Der Elbetreff ist ein niedrigschwelliges und kostenloses Beratungs- und Begegnungsangebot. Die Besucher*innen werden zurzeit nur telefonisch beraten. Die Mitarbeiter*innen suchen den Kontakt und sind so im Austausch. Die ärztliche Betreuung und Versorgung ist wohl ganz gut. In diesem Bereich scheint es keine größeren Probleme zu geben. Die Gäste des Treffs sind untereinander gut vernetzt und organisieren Spaziergänge oder Telefonate untereinander.

Geflüchtete

Zur aktuellen Situation im Bereich der Flüchtlingsberatung und Betreuung informierte sich Hildegund Kingreen in Gesprächen mit den Akteur*innen in diesem Bereich.

Die Beratung erfolgt per Telefon, auch in Dreierkonferenzen mit einem Dolmetscher. Wird Hilfe bei Formularen gebraucht, gibt es einen Briefkasten und, falls nötig, einen direkten Kontakt durch ein Fenster im Erdgeschoss.

Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Duldung:                                    

Der/die Antragsteller*in ruft beim Ausländeramt an, daraufhin bekommt er/sie eine Bescheinigung zugeschickt, dass er/sie einen Antrag auf Verlängerung gestellt hat und der Aufenthalt für weitere 3 Monate gültig ist.

Betreuung der Familien:                                                                                              

Die Sozialarbeiter*innen fahren weiter zu den Unterkünften, die Menschen sind sehr ängstlich und halten sich in ihren Wohnungen auf. Sie erhalten mehrsprachige Aufklärung. 

Psychologische Beratung:                                                                                               

Erfolgt telefonisch und als Videosprechstunden.

Neu ankommende Flüchtlinge bleiben in den Aufnahmeeinrichtungen, wo es teilweise schon Probleme mit der Abstandsunterbringung gibt. Abschiebehaftanstalten entlassen viele Flüchtlinge, nur Problemfälle bleiben. Roma: sind laut Betreuer*innen besonders ängstlich, glauben, sterben zu müssen. Auch sie bekommen mehrsprachige Aufklärung, aber besonders im persönlichen Gespräch.

In der Flüchtlingsberatungsstelle im Diakonischen Werk bereitet man sich auf mögliche Lockerungen vor durch Umgestaltung der Räume.

Senioren                                                                                                                                                               

Vorsitzende im Seniorenbeirat ist Ruth Sauerwein und somit kompetente und gut vernetzte Grüne in diesem Bereich. Sie berichtet folgendes: Wir haben 24 vollstationäre Heime in Hagen und 17 Wohngemeinschaften. In einem Heim hat es unter Bewohner*innen und Pflegekräften Coronafälle gegeben. 17 unter den Bewohner*innen und 7 oder 8 bei den Pflegekräften. Inzwischen hat sich die Situation beruhigt (es gibt noch 4 Fälle). Und eine WG war betroffen. Eine Senior*in kam infiziert aus dem Krankenhaus, wurde aber umgehend ins Krankenhaus in Quarantäne verbracht.

Die Kontaktsperre wird überall konsequent eingehalten. Da, wo es möglich ist, werden Kontakte über die Fenster oder Balkone ermöglicht. Skype haben die meisten nicht. Da viele Bewohner*innen dement sind, ist das auch problematisch. Heime, die Gärten haben, ermöglichen den Bewohner*innen, raus zu gehen und ermutigen dies. Spaziergänge sind erlaubt in Begleitung, es ist aber schwierig, weil das Pflegepersonal ohnehin überlastet ist, weil es gewissenmaßen die Besuche ersetzen muss. Man versucht, in Kleingruppen im Freien Bewegungsangebote zu machen. Frau Beck schätzt ein, dass die strikte Kontaktsperre nicht mehr lange aufrecht erhalten werden kann. Die Bewohner*innen würden zunehmend darunter leiden. Es gibt Überlegungen, begrenzte Kontakte zu erlauben, vielleicht einmal pro Bewohner*in in der Woche in bestimmten Räumen.

Das Recht auf Unterstützung und Information muss allen Menschen gleichermaßen gewährt werden. Dies sollte bei allen politischen Entscheidungen gelten.

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