Pressetermin am Koenigsee – Den Bock zum Gärtner gemacht

13.07.20 –

Der Fachbereich Grün des Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH) hatte am 19. Juni in Kooperation mit der Biostation Umweltzentrum Hagen zu einem Pressegespräch am Biotop Koenigsee im Nahmertal eingeladen. Mit dabei waren unter anderem auch drei Hohenlimburger Grüne: neben den frisch gewählten Kandidatinnen für die Bezirksvertretung Andrea Peuler-Kampe und Alexandra Gerull auch  Ortsverbandssprecher Andreas Tietz. Der Termin geriet zu einem Lehrstück darüber, was passiert, wenn Bürgerwille sowie politische Beschlüsse über mehr als ein Jahrzehnt missachtet werden und stattdessen der Bock zum Gärtner gemacht wird.

Geschichtlicher Exkurs

Aber von vorn erzählt – wie mir aus kundiger Quelle zugetragen wurde, kennen tatsächlich nicht alle Hagener Grüne das Biotop und seine Geschichte, und können daher auch nicht erfassen, warum dieses Thema quer durch die politischen Lager ein besonderes Anliegen mit Symbolcharakter für die Hohenlimburger ist. Der Koenigsee wurde vor gut 100 Jahren von der Firma Krupp als kleinste Talsperre Deutschlands angelegt und diente der Wasserversorgung des Betriebes in der Obernahmer. 1995 wurde er abgelassen, weil Krupp die Produktion eingestellt hatte und den See nicht mehr benötigte, daher auch nicht mehr für den Unterhalt des Staudamms und seiner Anlagen aufkommen wollte. Da auch sonst niemand die Kosten übernehmen wollte (ein Zustand, der sich bis heute hinzieht), erschien dies als einzig pragmatische Lösung. Den Hohenlimburgern und auch vielen anderen Menschen aus der Region ging damit ein beliebtes Ausflugsziel verloren. Der See wurde gern als „Freibad“ im Sommer genutzt, Angler saßen an den Ufern und auch bei Schiffsmodellbauern stand der See hoch im Kurs. Der See und seine Umgebung waren so gut besucht, dass es dort eine florierende Gastronomie „Zum Lahmen Hasen“ gab, und einen Wanderrundweg, der in der Hohenlimburger City begann, über das Schloss bis zum See führte und dann auf der anderen Seite des Nahmertals wieder entlang der Berghänge zurück in die Stadt. Den Weg gibt es immer noch, aber er ist seiner zentralen Attraktion beraubt. Und das trotz vieler Ideen und mancher Bemühung, das ehemalige Seegelände anderweitig zu einer Sehenswürdigkeit zu machen.

Ein Zeichen Hagener Ignoranz

Die Geschichte dieser Bemühungen aufzudröseln würde jetzt erheblich zu weit führen. Geplant war, ein Biotop samt Naturlehrpfad und Wasserspielplatz anzulegen, in dem die Bürger die Natur entdecken und sich auf andere Weise erholen können. Dieser Plan ist, dass kann man nach 25 Jahren sagen, gründlich gescheitert. Außer von Hundehaltern und pubertierenden Jugendlichen wird das Biotop von den Bürgern kaum angenommen, beklagen WBH als aktueller Eigentümer des Geländes und Biologische Station unisono. Die Gründe dafür liegen gleichwohl bei Ihnen selbst. Eine seit 2008 existierende Konzeption nebst Beschlusslage der Bezirksvertretung wird nämlich unter Verweis auf fehlende Mittel geflissentlich missachtet. Sie sieht unter anderem eben jenen Naturlehrpfad als außerschulischen Lernort vor, sowie den Erhalt des ehemaligen Pumpenhäuschens und die Einrichtung einer Ausstellung darin.

Erfolgreich war bislang lediglich die Etablierung des Biotops, das inzwischen sogar den Rang eines europäischen Biosphären-Schutzgebietes besitzt. Auf dem ehemaligen Seegrund ist eine Bachaue mit Erlen- und Weidenbruchwald entstanden, die vielen, teils seltenen und geschützten Arten einen Lebensraum bietet. Das war es aber auch schon. Ja, es wurden Schautafeln aufgestellt, ein „geologischer Aufschluss“ angelegt und Bänke aufgestellt (deren dringend nötige Erneuerung war Anlass des Pressetermins). Doch das Pumpenhäuschen verfiel, Schulklassen und Spaziergänger traf man immer seltener im Biotop an. Wer sich den Zustand der Wege anschaut (Tafeln und Bänke wurden ja wie gesagt gerade erneuert), den wundert das nicht. Besonders der so genannte „Talweg“ mitten durch das Biotop ist streckenweise abenteuerlich. Keine Lehrerin, kein Lehrer würde angesichts der Verletzungsgefahr durch marode Bachquerungen und ausgespülte Felsen eine Schulklasse dort hindurchschicken. Für Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, ist der Weg beinahe unpassierbar. Aufgrund des Konstruktionsfehlers, dass das Gelände dem WBH gehört, wird sich daran auch nichts ändern.

Den Koenigsee am liebsten vergessen?

Denn wie Gerald Fleischmann vom WBH recht freimütig einräumte, hat man seitens des WBH an einer besseren Wegsamkeit gar kein Interesse. Solange das Gelände nämlich als „Wald“ eingestuft ist, betritt jeder Besucher es auf eigene Gefahr und haftet selbst für eventuelle Verletzungen. Legt der Eigentümer aber befestigte Wege an, hat er automatisch eine Verkehrssicherungspflicht. Und die will der WBH ebenso wenig übernehmen wie die Biologische Station oder die Stadt Hagen. Dabei ist der derzeitige „Talweg“, der auf einem künstlich angelegten Damm verläuft, dem Nahmer Bach eigentlich im Weg – zumindest schränkt er die gewollte freie Ausbreitung des Gewässers ein. Der Wegdamm besteht aus großen Felsbrocken, über die Erde gehäuft wurde. Und genau die wird im Winter bei Hochwasser immer mehr fortgewaschen. An manchen Stellen besteht der Weg inzwischen nur noch aus scharfen Felskanten. An zwei weiteren Stellen muss man sich vermoderten, wackeligen Holzplanken oder großen, rutschigen  Steinen anvertrauen, um über Seitenarme des Baches zu gelangen.

Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat aber die Ankündigung von Gerald Fleischmann, dass der WBH das Pumpenhäuschen abreißen lassen will – das letzte Symbol des alten Koenigsees, die letzte Wegmarke am Ort und – das unterstelle ich jetzt – die letzte Erinnerung an den früheren Zustand, in der Hoffnung, dass damit der Ort dem Vergessen anheimfällt und man sich nicht weiter damit beschäftigen muss. Begründung: Das Gebäude sei baufällig, die Sanierung mit ca. 50.000 Euro zu teuer. Schon beim Pressetermin aber musste Fleischmann erkennen, dass dem Abriss massiver Widerstand aus der Bezirksvertretung – auch mit Unterstützung der Hohenlimburger Grünen – sowie heftiger Bürgerprotest entgegenschlagen wird. Das letzte Wort, soviel ist klar, ist hier noch nicht gesprochen. Auch der ebenfalls anwesende Bezirksbürgermeister Hermann-Josef Voß wirkte ungehalten und stellte klar, dass über einen Abriss die Politik zu entscheiden hätte.

Was wir Hohenlimburger wollen

Welche Ideen aber haben wir Hohenlimburger Grünen für das Koenigsee-Gelände? Nun, zunächst muss aus unserer Sicht eine andere Eigentümerkonstruktion gefunden werden. Der WBH ist – wie der Name schon sagt – ein reiner Wirtschaftsbetrieb. Er ist nur an niedrigen Kosten interessiert, also möglichst geringem Aufwand. Touristische Attraktivität, Umweltpädagogik oder Artenschutz sind da bestenfalls zweitrangig. Wir Grünen könnten uns eine Einstufung des Stauwerks samt Pumpenhäuschen als Industriedenkmal vorstellen, evtl. als Außenstelle des Freilichtmuseums. Es würde sich einreihen in eine Perlenkette weiterer Industriedenkmäler entlang des Nahmer Bachtals, vom alten Sperrwerk an der Lenne (Klein-Venedig) über das ehemalige Krupp-Kasino (heute saniert und als Schule genutzt) bis hinauf zur Brenscheider Mühle im Grenzgebiet zum Märkischen Kreis. Dies ließe sich auch in ein touristisches Gesamtkonzept im Rahmen von ISEK einfügen, mit dem Ausbau des Nahmer Rundweges zum zweiten Hagener Premium-Wanderweg. Selbst eine Wiederbelebung der in den 1970er Jahren eingestellten Kleinbahn (die Schienen sind zum Teil noch vorhanden) als Teil des ÖPNV (Radtransport!) und Touristenattraktion wäre denkbar, aber vermutlich sehr ambitioniert. Im Biotop selbst sollte der Damm des „Talwegs“ ausgehoben und durch einen Plankensteg ersetzt werden. Der Bach hätte unter dem Stelzenwerk freie Bahn, und es gäbe auch keine Unterspülungen und Auswaschungen mehr. Besucher des Geländes könnten andererseits auf einem sicheren Pfad durch das Biotop gehen und es erleben, ohne es zu stören.

Sich selbst überlassen geht nicht immer

Abgesehen von touristischen Perspektive gibt es aber auch eine ökologische. Die hat mit dem Ursprung des Geländes als industrielle Infrastruktur zu tun. Neben dem früheren Koenigsee gibt es bis heute den viel kleineren Hüseckenteich, ein abseits am Waldrand gelegenes Staugewässer, dass ehemals von der in der Nahmer ansässigen Firma I.P. Hüsecken genutzt wurde. Dieser Teich hat sich als Rückzugsgebiet besonders für Amphibien etabliert und wird durch ein Wasserbauwerk, das Wasser aus dem Nahmer Bach abzweigt, versorgt. Der Klimawandel und die damit einhergehende Trockenheit führen jedoch dazu, dass die Nahmer regelmäßig auf einen Wasserstand fällt, der diese Abzweigung trockenfallen lässt. In der Folge sinkt der Wasserstand des Teiches innerhalb weniger Wochen drastisch. Für den Amphibiennachwuchs, der sich zum Schutz vor Fischen vor allem in den flachen, krautigen Bereichen aufhält, hat das fatale Auswirkungen und den Verlust einer ganzen Generation zur Folge. Klar ist: Soll der Hüseckenteich als Lebensraum erhalten bleiben, muss eine Wasserzufuhr sichergestellt werden. Dazu ist eine Vertiefung der Abzweigung notwendig, um einen halbwegs regelmäßigen Zufluss zu gewährleisten. Derzeit ist das nur im Winterhalbjahr für einige Wochen der Fall. Das Wasser würde der Nahmer auch nicht entzogen, da es über einen Überlauf am Teich zurück ins Biotop fließen kann.

Damit will ich meinen kleinen Exkurs beenden. Kampflos wollen wir Hohenlimburger Grünen den Koenigsee jedenfalls nicht aufgeben und auf gar keinen Fall diese äußerst brisante Wahlkampfmunition – der Koenigsee ist emotional sehr stark besetzt in Hohenlimburg – allein dem politischen Wettbewerbern im Bezirk überlassen. Daher wünschen wir uns eine solidarische und substanzielle Unterstützung durch unsere Parteifreunde in den Gremien und Räten der Stadt und ihrer Eigenbetriebe.

Ergänzung von Alexandra Gerull, (im Bild rechts, mit Andrea Peuler-Kampe): 

„Mehr noch als der marode Weg ärgert mich das vollkommene Fehlen einer umweltpädagogischen Konzeption. Wenn die Biostation da keine Lerngruppen begleiten kann und der WBH auch nicht, wen bitte sollen die Schulen da ansprechen? Da lügen sich doch die Verantwortlichen wieder in die Tasche. Wenn ich eine schulische Nutzung will, muss ich pädagogische Angebote machen. Wenn ich die nicht biete, kommen keine Klassen. Außer den dreien, wo die Biolehrenden wahnsinnig aktiv sind. 

Wenn das alte Pumpenhäuschen tatsächlich abrissreif ist: Was spricht dagegen, als Hommage ein ganz ähnliches neues Gebäude hinzustellen, in dem die Schulkids ihre Sachen ablegen können, bei schlechtem Wetter Brotzeit oder Unterricht machen können und an dem man an sonnigen Wochenenden auch einen Kaffee und eine Fassbrause bekommt?“ 

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