Haushaltsrede zum Doppelaushaushalt 2024/2025

12.04.24 –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und Gruppen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

seien wir ehrlich:  die Lage aktuell ist mehr als schwierig, sie ist beunruhigend und vor allem belastend für so viele Hagener*innen.

Wir erleben eine Gleichzeitigkeit von Krisen, die uns alle immer wieder an unsere Grenzen und auch darüber hinausbringt.

Davon bleibt auch das Leben in unserer Stadt nicht verschont.

Nach Jahren des Haushaltsausgleichs und eines Abbaus der Kassenkredite treffen uns unverschuldet die Folgen der Coronakrise, des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und die ausbleibende Altschuldenlösung durch steigende Zinsen wieder mit voller Wucht.

Dass wenige globale Ereignisse unsere Konsolidierungsbemühungen derart zurückwerfen, zeigt dass wir es mit einem strukturellen Problem der unterfinanzierten Kommunen zu tun haben.

Alle die schon länger dabei sind, werden sich ca. 10 oder mehr Jahre zurückversetzt fühlen, da wieder Zeiten der Kürzungen und Selbstamputationen drohen.

Trotzdem stellen wir uns als Grüne dieser kommunalen Verantwortung, auch wenn es ein Stück weit hoffnungslos erscheint.

Denn um uns auf den Rücken zu werfen sind wir nicht gewählt worden!

Aber seien wir ehrlich:  die Umstände, in denen die wir heute und in den vergangenen Wochen und Monaten über den Haushalt diskutiert haben, sind nicht nur nicht optimal, sie sind eine Zumutung.

Eine Zumutung, für die niemand in diesem Raum etwas kann, mit der wir aber alle in Hagen leben müssen.

Und um das deutlich zu sagen:  ich bin mir sicher keine demokratische Kraft tut sich leicht damit oder findet es gut drastische Maßnahmen wie Steuererhöhungen oder Kürzungen im Sozial-, Umwelt,- oder Kulturbereich vorzuschlagen oder vorzunehmen.

Wir wünschen uns alle es wäre anders, aber wir sind gezwungen uns der bestehenden Realität zu stellen und mit der Situation umzugehen, wegducken ist keine Option!

 

Dies bedeutet für uns GRÜNE allerdings auch, uns den sozialen und ökologischen Herausforderungen dieser Zeit zu stellen, damit das demokratische Miteinander gestärkt wird und wir den Bedürfnissen der Menschen in dieser Stadt gerecht werden.

In der angespannten Haushaltslage bedeutet das ein stetiges Abwägen.

Daher haben wir die vorgeschlagenen HSK Maßnahmen - wie in der Vergangenheit auch - auf ihre soziale, ökonomische und ökologische Verträglichkeit geprüft und für uns entschieden, was – auch oft mit der Faust in der Tasche – wie die Kürzungen am Theater oder die teilweise Steuererhöhungen gerade noch geht oder eben nicht mehr, weil es Strukturen zerschlägt, die Menschen zu sehr belastet oder den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.

Dazu gehört für uns aber auch - dass hab ich bereits im HFA gesagt  -das man den Bürgerinnen und Bürger die Wahrheit zugesteht, dass es ohne Zumutungen nicht geht und mit einem vollständigen Verzicht auf Steuererhöhungen ein dauerhafter Nothaushalt bis hin zum vollständigen Verlust der kommunalen Handlungsfähigkeit droht.

Auch wenn wir oft nur die Wahl zwischen katastrophalen oder verheerenden Optionen haben.

 

Als GRÜNE haben wir uns dazu entschieden Kürzungen insbesondere im sozialen Bereich nur dort vorzunehmen, wo es für uns vertretbar ist, denn wir müssen weiterhin mit allen Mitteln dazu beitragen soziale Ungerechtigkeiten abzubauen.

Aus diesem Grund haben wir mit unseren Anträgen und unserem Abstimmungsverhalten im Sozial- und Jugendhilfeausschuss klar Haltung gezeigt.

Haltung für den Erhalt der Beratungsstelle der Diakonie Mark-Ruhr für Geflüchtete.  Die Betreuung wird hier seit 20 Jahren sehr kompetent durchgeführt. In dieser Zeit ist ein umfassendes Beratungs- und Betreuungsangebot auf fachlich höchstem Niveau entstanden.

Klare Haltung aber auch für die Unterstützung der Angebote von Wildwasser als Fachstelle für sexualisierte Gewalt. Die hier unersetzliche Beratungs- und Präventionsarbeit leisten. Und bei der weiteren Unterstützung des Music Office Hagen.

Klare Haltung gegen die Wiedereinsetzung der Dynamisierung der Gebühren von Kindertagesstätten und offenen Ganztag. Um Familien, die durch die Krisen mit am härtesten getroffen wurden, nicht noch zusätzlich zu belasten.

 

Aber auch die voranschreitende Klimakrise erfordert entschlossenes Handeln.

Europa ist der sich am schnellsten erwärmende Kontinent, seit den 1980er Jahren verlief die Erwärmung auf dem europäischen Festland etwa doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. Bereits jetzt sind die Auswirkungen der Klimakrise in Hagen deutlich spürbar, Hitzetage, Starkregenereignisse und Hochwasser sind keine Seltenheit.

Besonders  die Hitze wird als das größte und dringendste Klimarisiko für die menschliche Gesundheit beschrieben. Wirksame Anpassungs- und Vorsorgemaßnahmen sind somit dringend erforderlich, um die bereits existenten und die drohenden Klimarisiken zu begrenzen. Die bereits beschlossenen Klima- und Umweltstandards in der verbindlichen Bauleitplanung sind ein Anfang, decken aber nicht alle nötigen Maßnahmen ab.

Und aus diesem Grund haben wir uns dafür eingesetzt die Mittel für eine klimagerechte Stadtentwicklung zu erhalten. Ein Nichthandeln in dieser Frage gefährdet nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern unser aller Lebensgrundlage.

 

 

An dem Fakt, dass es bei den erwähnten Punkten ausschließlich darum geht Kürzungen zu Verhindern und nicht wie in vielen anderen Kommunen ambitionierte politische Projekte - und glauben sie mir davon hätten wir genug ! - voranzubringen zeigt  mehr als deutlich in was für einer katastrophalen Situation wir stecken.

 

In den Kommunen wie Hagen, die durch ungleiche Lastenverteilung bei der Bewältigung des Strukturwandels seit Jahrzehnten in der Mangelverwaltung feststecken, wird die Entwicklung lebenswerter Zukunftsaussichten von der Notwendigkeit genehmigungsfähiger Haushalte brutal an die Seite gedrängt

 

Doch damit nicht genug. Die angespannte Lage verschärft sich gegenwärtig noch einmal: Die Zinsen steigen und die Refinanzierungsmöglichkeiten für Kommunen am Finanzmarkt schrumpfen weiter. Zu den Altschulden addieren sich in Kürze die verschobenen, „isolierten“, pandemischen und durch den Angriffskrieg bedingten Lasten. Aus dieser finanziellen Klemme kann sich Hagen nicht selbst befreien.

 

Die Folgen spüren vor allem die Bürger*innen von Hagen, denen jetzt schon kaum mehr zu vermitteln ist,  das schon wieder über Einsparungen, Kürzungen und sogar Steuererhöhungen diskutiert wird.

 

Wir kommen an einem Punkt an dem die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zunehmend nicht mehr gewährleistet ist.

Der Bildungserfolg nicht, weil in anderen Städten die Schulen zeitgemäßer ausgestattet werden können, nicht im Ringen um Fachkräfte, weil die Standtortattraktivität sinkt und auch städtebaulich nicht, weil wir die Kapazitäten kaum haben, die Stadt an den Klimawandeln anzupassen und die Verkehrswende mit der nötigen Geschwindigkeit voranzutreiben.

 

Wir brauchen jetzt endlich eine Altschuldenlösung bevor uns die Situation endgültig erdrückt. Und das auf Bundes- und Landesebene.

Dafür kämpfen die Hagener GRÜNEN entschlossen in allen möglichen Gremien. Und das ist ein Punkt bei dem wir alle gemeinsam, Seite an Seite nicht aufhören dürfen, dies konsequent einzufordern.

An dieser Stelle auch ein Dank an OB und den Kämmerer die sich im Bündnis und an anderer Stelle seit langem dafür einsetzen.

 

Liebe Kolleg*innen, zu einer Haushaltsrede gehört ja meistens auch ein zuversichtlicher Blick in die Zukunft, die Beschreibung einer Vision wohin wir als Stadt in den nächsten zwei Jahren hinwollen. Aufgrund der beschriebenen Umstände fällt mir das ehrlicherweise nicht leicht, die vorherrschende Realität zwingt einen -  wie beschrieben - zu harten Entscheidungen.

Harten Entscheidungen zu denen unsere Fraktion auch bereit war – denn in schwierigen Situationen heißt es Verantwortung zu übernehmen - und in diesem Fall bedeutete das sich ernsthaft mit den der Erhöhung der Realsteuern auseinanderzusetzten, die eine Mehrheit hier nicht wollte.

Wir glauben, dass sonst ein wirksames Haushaltssicherungskonzept ohne diese moderaten Erhöhungen kaum möglich ist und haben entsprechend dafür gestimmt.

 

Nicht weil wir das gut finden, nein, sondern weil uns bewusst ist das niemanden damit geholfen ist Probleme in die Zukunft zu verschieben.

Ganz im Gegenteil sie kommen häufig noch verstärkt zurück.

 

Ein positiver Blick in die Zukunft fällt aber auch aus anderen Gründen nicht leicht, denn ein knapper Haushalt führt auch zu einer propagandistische Vorlage für vermeintlich einfache Antworten und hilft den Kräften die unser aller Zusammenleben, unsere Demokratie, auf die Probe stellen wollen.

 

Die Correctiv-Recherchen haben uns allen vor Augen geführt was eigentlich schon lange klar war: es ging diesen Menschen nie um eine alternative Politik für unser Land, sondern allein um dessen Zerstörung. Es geht darum tausende unserer Nachbar*innen, Freund*innen und Familienmitglieder zu deportieren.

Das dürfen, das werden wir nicht zulassen. Und das haben Anfang des Jahres 5000 Hagener*innen auf der Großdemonstration des Bündnisses „offen bunt“ eindrucksvoll in der Innenstadt gezeigt.

Das gibt Kraft, eine Kraft die wir als demokratische Kräfte mit hier in den Rat nehmen sollten.

Denn der Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und jede andere Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geht nur gemeinsam.

Darum werbe ich für mehr Zusammenhalt und Kompromissfähigkeit unter Demokrat*innen - auch manchmal über Grenzen hinweg.

Vielen Dank!

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