Wildnis in Hagen

20.11.20 –

42 Prozent der Fläche Hagens sind mit Wald bedeckt, davon sind 1549 ha – also knapp ein Viertel (23%) – in kommunaler Hand. In Hagen bedeutet das, dass diese Flächen dem Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) gehören, weil sie ihm vor Jahren vom Rat übertragen wurden. Die Bewirtschaftung des Stadtwaldes erfolgt als wirtschaftlich genutzter stadtnaher Erholungswald – so der WBH auf seiner Webseite.

Wie schon im Kommunalwahlprogramm für 2020 ausgewiesen, plädieren die Grünen in Hagen für eine Teilung in Naturwald und Wirtschaftswald. Letzteren brauchen wir auch weiterhin, weil z.B. Holz ein wichtiger Baustoff ist, der viel CO2 einspart, wenn er beim Hausbau Beton ersetzt. Das hat kürzlich erst eine Studie nachgerechnet. 

Wenn man durch die Hagener Wälder geht, dann fällt sehr schnell auf, dass der Nadelholzanteil beim Stadtwald bei etwa 32% liegt, in den privaten Wäldern eher noch deutlich höher. Das sieht man daran, dass die allermeisten Fichtenwälder von der Hitze und Trockenheit der letzten Jahre gestresst dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind. Große Flächen sind freigeschlagen, auf vielen anderen stehen nur noch braune „Baumleichen“ dicht an dicht. Das Bild von den Höhen des Volmetals ist nur ein Beispiel. 

Gerade diese Katastrophe ergibt aber jetzt die Gelegenheit, mindestens Teil des Hagener Stadtwaldes und in der Folge vielleicht auch des Privatwaldes in Wildnisbereiche zu verwandeln, weil sich eine Win-Win-Situation eingestellt hat.

Wegen der großen Flächen sind nicht genügend Waldarbeiter zum Fällen der Bäume zu bekommen. 

Die Holzpreise fallen wegen des Überangebots deutlich.

Infolgedessen decken die Holzerlöse nicht einmal die Kosten für das Fällen und die anschließende Aufforstung. Damit sparen Waldbesitzer im Saldo Kosten, wenn sie auf Holzentnahme und Wiederaufforstung verzichten und stattdessen auf Wildnis und Naturverjüngung setzen. 

Diese Win-Win-Situation für Waldbesitzer und Umwelt hat die Grüne Ratsfraktion in Hagen zum Anlass genommen, einen Antrag im Umweltausschuss zu stellen, Teile dieser Flächen zu Naturwald bzw. Wildnis werden zu lassen. Vorbild ist zum Beispiel der Nationalpark Harz, der seit mindestens 15 Jahren Flächen mit abgestorbenen Fichtenwäldern sich selbst – d.h. der Natur – überlässt. Gesichert werden lediglich Bereiche entlang von Straßen und Wegen, in dem man auf einem Streifen die Fichte fällt und liegen lässt. Die anderen Bäume bleiben stehen, bis sie zerfallen oder von Stürmen abgebrochen oder entwurzelt werden. 

Und die Vorteile für die Natur. „Das Holz bleibt im Wald, denn rund 20 bis 30 % aller Waldbewohner sind direkt darauf angewiesen. Viele von ihnen sind aktuell gefährdet. Totholz ist eine wichtige Nahrungsquelle und Lebensraum für zahlreiche Pilze, Insekten und Mikroorganismen. Sie zersetzen das Holz und machen seine Nährstoffe für Pflanzen verfügbar. Viele Käfer und Wildbienen nutzen Totholz für ihre Brut. Ein Viertel aller in Deutschland lebenden Käferarten sind auf Holz verschiedener Zerfallsstadien angewiesen. Humus wird gebildet, der z.B. wieder Wasser und auch CO2 speichert. Zwischen den stehenden und liegenden Stämmen beginnt eine neue Waldgeneration heranzuwachsen.“ (Nationalpark Harz)  

In dem wilden Wald kann diese Naturverjüngung in Ruhe stattfinden. Wildverbiss – bei neu angepflanzten Wäldern ein großes Problem - wird seltener sein, weil die Bereiche für größere Tiere nicht gut zugänglich sind. Für den Menschen sind solche Wildnisbereiche für einige Jahrzehnte nicht betretbar. Das ist gut für die Natur, und Ausweichbereiche für die Erholung der Menschen in Hagen sind genug vorhanden. 

Hans-Joachim Bihs vom WBH antwortete im Umweltausschuss, dass Hagen dieses Ver-fahren mindestens auf zwei Flächen an der Hasper Talsperre und am Buscher Berg mit einer Gesamtfläche von 12 ha schon erprobt. Weiter arbeite der WBH an einem Konzept, „Trittstein“-artig Waldflächen, die aufgrund von Seltenheit, Wirtschaftlichkeit, Topographie oder Lebensraumtyp als Naturwaldflächen gekennzeichnet und vertraglich aus der Bewirtschaftung herausgenommen werden. 

Das ist alles ein Anfang, auch wenn die Flächengrößen noch klein sind. Für die neue Ratsfraktion wird es darauf ankommen, diesen Prozess zu verstärken und zu beschleunigen. Als Ziel könnte sie ausgeben, dass 10% des kommunalen Waldes zur Wildnis werden. Diesen Anteil hatte die grüne Bundestagsfraktion in ihrer Urwald-Initiative aus-gegeben, um das Nationale Biodiversitätsziel von 5% rechtzeitig zu erreichen und Vorbild für die privaten Waldbesitzer zu sein. 

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