Das Fräulein wird Professor oder: Und jährlich grüßt der Internationale Frauentag 

10.03.21 –

50 Jahre, seit das „Fräulein“ aus den Amtsstuben verschwand, hörte ich vor ein paar Tagen. Tatsächlich schon 1971? Kann mich gut erinnern, dass ich Mitte der 80er Jahre bei meinem neuen Arbeitgeber (in der innovativen Datenverarbeitungsbranche) darum kämpfen musste, die Fräuleins von den Namensschildern an den Türen meiner unverheirateten Kolleginnen tilgen zu lassen. „Sie sind gar nicht verheiratet??“, fragte der oberste Boss empört, hatte ich mich doch als Frau Z. vorgestellt. Genau darum ging‘s ja, klar erkennen zu können, ob SIE noch zu haben war oder nicht. Und es war den Verantwortlichen auch nicht zu viel Aufwand, auf allen möglichen Formularen diese dritte Anrede „Frl.“ auszudrucken. Heute ist es vielen Unternehmen zu komplex, neben dem Kunden auch die Kundin vorzusehen? Es hat System, das lässt sich nicht übersehen. Beispiel Sparkassen und Banken. Als 2001 von der D-Mark auf den Euro umgestellt wurde, und damit alle Formulare überarbeitet werden mussten, wäre es ein Leichtes gewesen, die Kundin, Einzahlerin, Kontoinhaberin vorzusehen, „/in“ hätte uns gereicht, wir sind ja bescheiden. Marlies Krämer, eine Frauenbewegte, zieht 80-jährig 2018 bis vors Bundesverfassungsgericht, 2 Jahre später vor den Bundesgerichtshof, weil sie nicht als Kunde, sondern als Kundin bei ihrer Sparkasse unterschreiben möchte. Aber „Frauen haben kein Recht auf eine weibliche Ansprache in Formularen“, wird ihr/uns dort beschieden. Göttin sei Dank ist Frau Krämer, die schon einiges an Kämpfen für die Gleichberechtigung/-behandlung gefochten hat, nicht unterzukriegen – sie geht bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ergebnis offen, Hut ab.

(Wir sollen uns mitgemeint fühlen, wenn es gerade passt: Im Frisiersalon sind wir so lange Kunde, bis es ans Bezahlen geht – „gern“ mal den doppelten Preis. Weniger verdienen und mehr bezahlen - aber das ist ein anderes Thema.)

Wie kann es sein, dass das Geschlecht das wichtigste Kriterium in unserer Gesellschaft ist, aber sprachlich nicht zählen soll? „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ – meist die erste Frage an die frischgebackenen Eltern. Ich vernachlässige jetzt mal das „Phänomen“, dass das Mädchen sächlich bleibt bis es das reife Alter einer Frau erreicht hat (früher blieb die Unverheiratete bis zum Ableben sächlich), während der Junge gleich ein Geschlecht hat, das er auch behält. (Die vielen Personen, die weder das eine, noch das andere, oder auch beides sind, bleiben außen vor bei dieser Betrachtung. Sorry.)

Was kann der Grund sein, dass aus einer großen Anzahl von Krankenschwestern, zu denen sich ein einzelner Mann gesellt, Krankenpfleger werden? Natürlich heißt der Bursche nicht Krankenbruder, eine männliche Hebamme auch nicht Hebammerich, da werden lieber alle zu Geburtshelfern. Aber eine Frau, die die Position eines Amtsmanns erreicht, muss klagen, um nicht als Amtsmännin tituliert zu werden. Und wenn Mann lieber von den weiblichen Professoren spricht, als von Professorinnen, wird das Argument knapperer Ausdrucksweise enttarnt.

„Mit Hilfe von Sprache konstruieren wir unsere Wirklichkeit“. Dies und vieles Erhellendes mehr las ich vor fast 40 Jahren in Büchern, die Senta Trömel-Plötz, eine Sprachwissenschaftlerin, herausgab. Sie schrieb damals bereits, dass die Begriffe „Künstler“, „Lehrer“ etc. nicht neutral seien, dass die meisten sich auch beim Begriff „Mensch“ einen Mann vorstellten. Und zu welchem Zweck gibt es die weiblichen Bezeichnungen, wenn sie nicht genutzt werden? Sprache ist Macht, das habe ich damals begriffen – die Reaktionen, die ich seitdem bei diesem Thema ernte, zeigen, wie richtig ich liege. Machte ich Männer darauf aufmerksam, dass ich mich mit männlichen Bezeichnungen nicht gemeint fühlte, gab es in Schriftform seitenlange Belehrungen über die deutsche Grammatik und Historie, mündlich Unverständnis, Kopfschütteln, gern auch mal Hohn.

Leider machte und mache ich bei Frauen die Erfahrung, dass sie aufs Angesprochensein „keinen Wert legen“. Erst kürzlich sagte mir eine Bekannte, dass sie‘s „zum Brechen“ fände, wenn sie Gendersprache höre. Das tut weh. Und erklären kann ich es mir nur so, dass viele Frauen nicht sehen  wollen oder können, wie wenig Wert auf sie gelegt wird – zu Vieles müsste dann überdacht werden.

Zuweilen beschleicht mich das Gefühl, dass die sprachliche Wahrnehmung von Frauen schon mal ausgeprägter war, dass wir eher wieder auf dem Rückmarsch sind. Selbst ernstzunehmende Sender bringen Beiträge, in denen ausschließlich vom Hörer, Politiker, Lehrer, . . . die Rede ist. Und die Sätze gehen natürlich weiter mit „ihm“, „er“, „sein“ etc. Welche Frau kann sich da gemeint fühlen? Kürzlich hörte ich, dass sich zwei Professorinnen (!) darüber beschwerten, dass der Duden weiblicher wird, dass z.B. die „Gästin“ Einzug hält. Die Gästin ist aber weder neu, noch konstruiert, sondern bereits im Althochdeutschen zu finden und war in früheren Zeiten eine übliche Bezeichnung.

Und das Argument, dass Texte nicht mehr so flüssig gelesen werden können, wenn die andere Hälfte der Menschheit Erwähnung findet? Lassen wir doch mal für Spaß die männlichen Bezeichnungen raus . . .  Wem es zu umständlich ist, immer beide Formen einzusetzen, kann auf die vielen Möglichkeiten in der deutschen Sprache zurückgreifen: aus Studenten/Studentinnen werden Studierende, aus Wählerinnen und Wählern wird das Wahlvolk, Lehrerinnen und Lehrer sind Lehrkräfte, Zuschauer und Zuschauerinnen heißen Publikum, . . .  Und wenn es um mündliche Sprache geht, sollten wir vielleicht die Idee meiner Freundin aufgreifen: Frauen reden in der weiblichen Form, Männer in der männlichen. 

Ich kam auf die Idee dieses Beitrags, als ich Ende letzten Jahres von unserem grünen weiblichen Bürgermeister las. Gesetze hin oder her, wie kommen wir Frauen auf die Idee, das zu diskutieren? Welcher Mann würde akzeptieren, als Bürgermeisterin aufgeführt zu werden? Und wehrte er sich, stärkten ihm wahrscheinlich seine Geschlechtsgenossen den Rücken. Das ist auf jeden Fall etwas, was wir von den Männern übernehmen sollten, müssen: Solidarität mit dem eigenen Geschlecht. Wann fangen wir an, uns ernsthaft für uns zu interessieren und stark zu machen? Wollen wir wirklich, dass  alles so bleibt, wie es ist? Ich jedenfalls möchte sprachlich vorkommen, wahrgenommen werden.  

Ach ja, auf meinen Text zur Nationalhymne vor einem Jahr habe ich nicht eine weibliche Reaktion erfahren – dabei ging es doch auch hier um unsere Wahrnehmung.                                      
 

Kategorie

Newsletter

Listenansicht   Zurück